Einkaufen bei Amazon.de

Wilhelm II. und seine Geschwister

Wilhelm II. und seine Geschwister

von Barbara Beck Verlag Friedrich Pustet, 2016, 256 Seiten

20.10.2017

 
Wilhelm II., der mit vollem Namen Friedrich Wilhelm Viktor Albert von Preußen (1859-1941) hieß, war von 1888 bis 1918 der letzte deutsche Kaiser und das Familienoberhaupt des Hauses Hohenzollern.

Bei einer ebenso schillernden wie auch umstrittenen Person gerät schnell in Vergessenheit, dass er nicht nur der regierende Monarch eines machtvollen deutschen Reiches war, sondern darüber hinaus auch Enkel, Sohn, Ehemann und Vater, aber vor allem war er der älteste Bruder von sieben Geschwistern.

Von den zwischen 1859 und 1872 geborenen acht Kindern erreichten nur sechs das Erwachsenenalter. Wilhelms Brüder Waldemar und Sigismund starben früh – die übrigen Geschwister - Charlotte, Heinrich, Victoria, Sophie und Margarethe – meisterten ihr jeweiliges Schicksal auf sehr unterschiedliche Art und Weise. Jedoch spiegelt sich in allen fünf Biographien die Vermischung von staatlichen und privaten Interessen.

Um das Verhältnis Wilhelms zu seinen Geschwistern näher zu beleuchten, kommt man nicht umhin, sich ebenfalls mit den kaiserlichen Eltern zu beschäftigen.

Das Elternhaus, in das Wilhelm II. und seine jüngeren Geschwister hineingeboren wurden, galt als absolut harmonisch.

Ihr Vater, der 99-Tage-Kaiser Friedrich III., und seine Frau Victoria, die älteste britische Königstochter, führten eine der wenigen wirklich glücklichen Ehen im europäischen Hochadel des 19. Jahrhunderts, die, obwohl sie von langer Hand geplant war, von tiefer Zuneigung und Liebe getragen wurde.

Aber ihr Verhältnis zu ihren Kindern war zwiespältig: einerseits waren sie sehr vernarrt in sie und vor allem Victoria entwickelte eine große Begeisterung für die jüngeren Kinder, andererseits genossen die älteren Geschwister entsprechend weniger Aufmerksamkeit und wuchsen mit einer gewissen gewollten Härte auf, wobei ihre Charaktere und Fähigkeiten recht gnadenlos beurteilt wurden.

Die preußischen Großeltern, Wilhelm I. und seine Gemahlin Augusta, verwöhnten ihre drei älteren Enkelkinder Wilhelm, Charlotte und Heinrich über alle Maßen. Daraus entwickelte sich eine sehr enge Bindung, die das schwierige Eltern-Kind-Verhältnis verschärfte, zu späteren Familienquerelen führte und die Geschwister in zwei Lager spaltete.

Ab Mitte der 1870er Jahre verschlechterte sich vor allem das Verhältnis zwischen Wilhelm und seinen Eltern zunehmend. Höchstwahrscheinlich kam die die Perfektion anstrebende Mutter Victoria nie über dessen Behinderung hinweg. Wilhelms verkürzter linker Arm war die Folge einer schwierigen Geburt, bei der es zu einer mangelnden Versorgung des Gehirns mit Sauerstoff kam, was möglicherweise auch die Ursache seiner Sprunghaftigkeit und Hyperaktivität war. Um aus ihm einen „ganzen Mann“ zu machen, mutete man ihm schmerzhafte Therapien zu.

Die Erwartungshaltung seiner Mutter überforderte Wilhelm und so schloss er sich zum Missfallen seiner Eltern dem konservativen Kreis um seinen Großvater und Bismarck an und schaffte es, diesen geschickt gegen seine Eltern auszuspielen. Die beiden nächstältesten Geschwister Charlotte und Heinrich nahmen ihren Eltern gegenüber ebenfalls eine skeptische bis ablehnende Haltung ein, teilten sie doch mit Wilhelm die strenge und harte Erziehung durch den Pädagogen Georg Hinzpeter.

Charlotte (1860-1919), die älteste Schwester Wilhelms galt als das „Enfant terrible“ der Familie. Sie strebte sehr früh in ihrem Leben nach Unabhängigkeit vom Elternhaus und heiratete 1878, noch drei Jahre vor ihrem großen Bruder Wilhelm, den Erbprinzen Bernhard von Sachsen Meiningen, mit dem sie ein äußerst mondänes Leben in Berlin führte und die gemeinsame Tochter Feodora hatte. Ihre Launenhaftigkeit ist höchstwahrscheinlich auf die seltene Stoffwechselerkrankung Porphyrie zurückzuführen, an der sie 1919 im Alter von erst 59 Jahren verstarb.

Heinrich (1862-1929), der als Marineprinz in die Geschichte einging, stand Zeit seines Lebens loyal an der Seite seines Bruders.1888 heirate er seine Cousine Irene von Hessen und bei Rhein, mit der er vier Kinder hatte, wobei zwei der Söhne die Bluterkrankheit ihrer Mutter erbten, was sich tragisch auf das Familienleben auswirkte. Nach dem Ende des 1. Weltkriegs und der Monarchie bezog Heinrich mit seiner Familie den ehemaligen Sommersitz Gut Hemmelmark als ständigen Wohnsitz. Er besuchte seinen Bruder Wilhelm auch in dessen niederländischen Exil, vor allem zu seinen Geburtstagen. 1928 wurde bei Heinrich, der Zeit seines Lebens Kettenraucher war, Kehlkopfkrebs festgestellt. Eine Lungenentzündung setzte seinem Leben 1929 ein Ende, während seine Irene Frau Irene ihn um Jahrzehnte überlebte.

Die beiden Brüder Sigismund (1864-1866) und Waldemar (1868-1879) starben viel zu früh an den damals so gefürchteten Kinderkrankheiten, was für die gesamte Familie ein schwerer Schlag war, der unüberbrückbare Folgen hatte.

So kamen die Eltern nie über deren Tod hinweg und überhöhten ihre verstorbenen Söhne postum. Das führte dazu, dass die übrigen Kinder unangemessenen Erwartungen ausgesetzt waren, die sie nicht erfüllen konnten und trennte die jüngeren von den älteren Geschwistern. Eine weitere Folge war, dass Victoria, Sophie und Margarethe im Konfliktfall immer zu den Eltern, vor allem zur Mutter hielten.

Als der Vater an Kehlkopfkrebs erkrankte, entbrannte ein erbitterter Kampf um die medizinischen Behandlungsmethoden. Nach seinem Tod musste „Kaiserin Friedrich“ – wie sich die Kaiserinwitwe Victoria von nun an in dessen Gedenken nannte - mitansehen, wie ihr ältester Sohn Wilhelm das Neue Palais umstellen ließ, um zu verhindern, dass geheime Staatspapiere nach England verbracht wurden. Die Mutter, die in der Hoffnung auf große Mitgestaltungsmöglichkeiten bei der Politik ihres Mannes gelebt hatte, fand nur mehr Trost bei ihren drei jüngeren Töchtern.

Die Mädchen Victoria, Sophie und Margarethe erreichten vor allem dadurch eine gewisse Berühmtheit, dass sie entweder nicht standesgemäß oder nicht den politischen Zielen Deutschlands entsprechend heirateten.

Victoria (1866-1929), die zweitälteste Schwester des Kaisers, verlebte eine glückliche Kindheit und war die Lieblingstochter der Mutter. In ihrer Jugend wurde sie in eine der größten Staatsaffären der damaligen Zeit verwickelt: die Battenberg- Affäre. 1890 heiratete sie, nachdem sich Wilhelm II. höchstpersönlich eingeschaltet hatte, Adolf zu Schaumburg-Lippe. Auch nach seinem Tod bewohnte sie das Palais Schaumburg und heiratete 1927 den 34 Jahre jüngeren Hochstapler Alexander Zoubkoff, was zu heftigen Reaktionen innerhalb der Familie führte und die größtmögliche Aufmerksamkeit der Presse erregte. Nachdem sich ihr zweiter Mann 1928 aus Deutschland abgesetzt hatte, durchlebte die enttäuschte Prinzessin den sozialen Absturz. 1929 erkrankte sie an einer beidseitigen Lungenentzündung sowie einer Rippenfellentzündung und starb schließlich kurz darauf an Herzlähmung.

Sophie (1870-1932) hatte eine sehr enge Bindung zur Mutter, was sich sehr belastend auf ihr Verhältnis zu ihrem kaiserlichen Bruder auswirkte. Ihre weitestgehend sorgenfreie Kindheit und Jugend endete abrupt mit der tödlichen Krebserkrankung ihres Vaters. Nach seinem Tod waren sie und ihre Schwestern die größte Stütze ihrer gebrochenen Mutter. Sie bestieg als einzige der Geschwister einen Königsthron nachdem sie 1889 den aus dänischem Hause stammenden griechischen Thronfolger Konstantin I. ehelichte, mit dem sie sechs gemeinsame Kinder hatte. Die sogenannte Kretakrise von 1897 führte ebenso wie Sophies Konversion zum orthodoxen Christentum zum Streit mit Wilhelm II.

Diverse Turbulenzen in Griechenland zwangen sie des Öfteren dazu, sich ins Exil zu retten, wo sie 1932, ohne es zu wissen an Krebs erkrankt, friedlich starb.

Margarethe (1872-1954), das jüngste Kind des Kronprinzenpaares, wohnte länger als ihre Schwestern Victoria und Sophie bei ihrer verbitterten Mutter und heiratete 1893 Friedrich Karl Landgraf von Hessen nachdem Wilhelm endlich seine Zustimmung gegeben hatte. Das ungleiche Paar hatte sechs gemeinsame Kinder, von denen drei im Krieg starben.

Beide Weltkriege, der Untergang der Monarchie und das neue Leben in der Weimarer Republik verunsicherten Margarethe und ihre Familie stark. Während sie früher keine enge Bindung zu ihrem Bruder hatte, besuchten sie, ihr Mann und ihre Söhne nun regelmäßig Wilhelm in seinem Doorner Exil. Sie durchlebte die Nachkriegsjahre, erlebte sogar noch die Anfänge der 1949 gegründeten Bundesrepublik Deutschland und engagierte sich politisch bevor sie 1954 als letzte Überlebende aus dem Geschwisterkreis Wilhelms II. starb.

Fazit:

Das aus 256 Seiten bestehende Buch verfügt über ein Quellen- und Literaturverzeichnis und ein Personenregister sowie einen Bildnachweis. Ein Stammbaum mit Lebensdaten und viele Fotos der Familienmitglieder des Hauses Hohenzollern veranschaulichen zusätzlich die Beziehungen.

Ein lebendig geschriebenes Buch über Wilhelm II. und seine Geschwister, die meist im Schatten ihres berühmten Bruders standen. Barbara Beck vereint die einzelnen Biografien aller sieben Geschwister, die Zeit ihres Lebens eng mit ihm verbunden blieben.

Doch nicht die großen politischen Entwicklungen sorgten für Konflikte zwischen deren Mutter Victoria und vor allem ihrem ältesten Sohn Wilhelm –vielmehr waren es die diversen Heiratsprojekte, allen voran die seiner Schwestern und das ambivalente Verhalten der Mutter ihren älteren Kindern gegenüber, welches die Geschwister in zwei Lager spaltete.

Der leicht verständliche Text wird durch die geschickt in den Text eingebauten Zitate aus Briefen und Erinnerungen aufgelockert und liest sich auch dadurch wie ein Roman. Und ganz nebenbei ist das Buch ein interessantes Zeugnis deutscher Geschichte in den Jahrzehnten vor und nach dem 1. Weltkrieg.

"Wilhelm II. und seine Geschwister" direkt beim Verlag Friedrich Pustet bestellen

************************************************

Barbara Beck ist eine 1961 geborene freiberufliche Historikerin und Sachbuchautorin, die zahlreiche Bücher und Beiträge zu historischen und kulturhistorischen Themen veröffentlicht hat.

Sie studierte Geschichte, Kunstgeschichte und Volkskunde in Augsburg und München und arbeitete mehrere Jahre im kulturhistorischen Ausstellungsbereich u.a. für das Haus der Bayerischen Geschichte und die Bayerische Schlösserverwaltung.

************************************************

"Wilhelm II. und seine Geschwister" direkt beim Verlag Friedrich Pustet bestellen

/Ella Freudenreich
Share by: